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Arzt: Ruhestand nach fast 43 Jahren

Heute ist ein denkwürdiger Tag für mich als Arzt: Ruhestand nach fast 43 Jahren. Die Sonne scheint ganz intensiv, der Himmel ist tiefblau, keine Wolke ist in Sicht. Ich sitze um halb 10 auf der Terrasse und schreibe diesen Text. Es ist der letzte Tag meiner offiziellen Berufstätigkeit als Arzt. Kaum zu glauben, wie doch die Zeit verfliegt. Und wenn man das Studium mit dazunimmt, dann sind es sogar 50 Jahre. Die einzige längere Unterbrechung darin war die Zeit meines Zivildienstes mit 15 Monaten.

Und jetzt gehe ich selbstbestimmt – da vom Arbeitgeber unkündbarer Arbeitsvertrag – mit 68 in den Ruhestand, obwohl Sana Remscheid mich angeblich noch weiterbeschäftigen wollte. Ich habe zum Ausscheiden sogar meinen Anwalt bemüht, damit das mit der Kündigung auch was wird, und ich nicht wieder schwach werde. Hahaha. Natürlich hat Coronavirus ein bisschen mitgeholfen, sonst hätte ich wohl noch weitergemacht. Aber viel mehr Geld verdienen, als man benötigt? Wieso?

Warum überhaupt Medizin, wo doch meine Neigungen eindeutig in der Technik, in der Physik lagen? Mein Mathematiklehrer Dr. Wassel schüttelte wortlos den Kopf, als er davon erfuhr. Wenn ich meinen Werdegang von 2007 so vor mir sehe, dann fällt doch auf, dass ich – sobald die Möglichkeit dazu bestand – etliche IT-Projekte durchgezogen habe. Und zwar als Arzt, und ohne dass ich dafür ausgebildet war.

Ja, warum denn unbedingt Medizin, das ist immer noch die Frage. Nun es waren die Achtundsechziger Jahre. Wir – mit wir meine ich meinen älteren Bruder und mich – waren, wenn auch religiös fundamentalistisch geprägt, aber doch letzlich politisch und natürlich links positioniert. Es bestand für uns ein Gefühl der sozialen Verpflichtung, der Gemeinsamkeit, der Mitmenschlichkeit, der Überwindung des unsäglichen Militarismus und der Bewältigung des Nationalsozialismus. Wie mehrere Vorbilder in meiner Umgebung hatte ich die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer beantragt. Insgesamt passte ein Medizinstudium viel besser in unsere gedankliche Welt als ein Studium der Physik oder der Ingenieurwissenschaften. Das war einfach so, und wenn dann noch die Schulnoten passen…

Sie werden fragen, wie ich die Entscheidung heute sehe, ob ich sie bereue. Nun, ich stehe dazu: Die Medizin insgesamt und der Arztberuf sind eine sehr gute Sache. Ich bereue da gar nichts. Die Entscheidung war richtig, ich kann diesen Beruf wirklich nur empfehlen. Es handelt sich um einen extrem vielseitigen Beruf mit Tätigkeit am Menschen. Ich bin dafür sehr dankbar. Dieser Beruf und die Patienten geben uns schließlich viel zurück. Und das Gehalt stimmt auch. Wenn man auch Kritik an der Hierarchie in der Medizin üben kann.

Wenn ich mich erinnere, musste ich mich als Arzt nie verbiegen. Ich musste nie Dinge machen, hinter denen ich nicht stehe. Wenn ich Chefarzt geworden wäre, hätte ich mich per Vertrag zu unethischen da rein wirtschaftlich geprägten Verhaltensweisen verpflichten müssen. In meiner Zeit sind die tariflichen Arbeitsbedingungen unter der Federführung des MB viel besser geworden.

Die von vielen Kollegen gewählte Nähe zur Pharmaindustrie oder zur medizintechnischen Industrie sehe ich sehr kritisch. Professoren als Werbeträger? Nein, bitte nicht! Personality-Show oder Pflege eines Personenkultes wie eines „Fanclubs“, das mag ich einfach nicht. Persönlich zur Schau gestellte Eitelkeit ist mir suspekt. Denn hier geht es fast nur um die Person des Arztes, nicht um die Belange der Patienten. Vielleicht werde ich in Zukunft hier Beispiele nennen. Hier ist eines, der Remscheider Ärztetag.

Einfach schade nur, dass man heute für das Medizinstudium unrealistisch gute Abiturnoten braucht. Ich bin auch der Meinung, dass beim Zugang zum Medizinstudium heute ein Genderproblem besteht. Wer die Schule mit der Abinote 0,8 schafft, die/der hat nur bewiesen, dass sie/er ein gutes Gedächtnis hat und sich extrem gut anpassen kann. Sonst nichts. Kreativität oder Empathie bleiben komplett außen vor.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. alrsl

    Am 25.9.2023 habe ich nach mehr als 3 Jahren erstmals wieder das Klinikum betreten. Es fühlte sich merkwürdig an. Es ging um eine kleine Problematik bei mir selbst. Die war aber nicht sehr schlimm. Auch war es ein freundliches Gespräch. Der Kollege schilderte zunehmend schwierige Bedingungen. Gut, dass ich damals einen Schlussstrich gezogen habe.

  2. Sabine Klauer

    Lieber Dr. Lang, alles Liebe und Gute zum Ruhestand. Es war mir eine Freude mit Ihnen zu arbeiten. Herzliche Grüße, Sabine Klauer

    1. alrsl

      Liebe Frau Klauer, ein herzliches Dankeschön für die guten Wünsche! Herzlichen Dank auch für die freundliche Und erfolgreiche Zusammenarbeit über viele Jahre! Ihr Albrecht Lang

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