Ein tolles Salon-Orchester!
Neulich, gerade als wir in unserer kleinen Tangogruppe eine Milonga mit Musik und Text zu Biagi, einem weiteren Helden der alten Tangoszene, absolviert hatten, kam die Frage auf, was das nächste Thema sein könnte. Hmmm… erst mal nachdenken. Schnell einen Blick in die Bibel der klassischen Tangomusik, den Lavocah, und schon sehe ich ihn, den Namen unseres nächsten Helden. E. R. ist es diesmal. Und hinter seinem Namen steht: „Der heitere Tango!“ Etwa um 1940 eingespielt, nicht nur Tango von Enrique Rodriguez.
Das hat mich sofort überzeugt. Heitere Musik, das ist es. Insbesondere, wenn man Musik von D’Arienzo oder gar Piazzolla im Vergleich hört. Deren scharfen Stakkato-Klänge, die bewussten Dysharmonien, die Traurigkeit der Melodien oder sogar viele Texte – sofern wir sie verstehen können – sind alles in allem schon hart für die Zuhörer. Das hat manchmal etwas von Selbstquälerei. Muss man sich denn immer diese musikalische Aggression, diese Depressivität geben?
Und dann auch noch Tango Nuevo so wie ihn Piazzola vorgegeben hat. Einige Stücke sind betont langsam, oder sie haben einen völlig geraden Tecno-Rhythmus. Und dann die depressiven Melodien… Das geht eigentlich nur in einer Lounge mit visueller Untermalung, so wie bei dem Tango-Ball in der Stadthalle Wuppertal. Also sozusagen in Trance.
Ich habe hier im Blog mal mit Gute-Laune-Musik gegen gehalten. Ich weiß, dass die politisch nicht korrekt ist, regelrecht trivial. Das kann mir aber mal egal sein. Denn sie ist einfach schön, hat wohlklingende Harmonien, ein flottes Tempo und fröhliche Melodien in Dur zumeist.
Auf meinem Laptop befanden sich bereits 30 Titel von Enrique Rodriguez. Fehlende Titel in Vals und Milonga habe ich bei A. eingekauft. Somit sind es aktuell 50 Stücke an der Zahl. Die habe ich alle mehrfach begeistert angehört. Ohne zu sehr in die Tiefe gehen zu wollen, fällt auf, dass alle Stücke gefällig klingen. Die Dynamik ist immer geglättet, der Rhythmus ist manchmal tangotypisch, manchmal gerade wie der heutige Turniertango, dann wie Swing sogar, also leicht synkopiert, insbesondere die Geigen spielen so. Die Melodien sind gerne romantisch ausgestaltet. Das Bandoneon klingt nicht so hart wie bei D’Arienzo, es ist ja auch vermutlich von ihm selbst gespielt.
Die Milonga-Stücke sind zumeist vergleichsweise langsam eingespielt. Die Valses klingen schön und sind mit angenehmem Tempo bequem zu tanzen. Manche klingen wie ein typischer Wiener Walzer. Und dann spielt er tollen Foxtrott („Budapest“), manchmal ist sogar Paso Doble dabei, dann wieder Cumbia, mal entspricht das Intro einer Chacarera, also einer Volksmusik.
Der Mann hatte somit Stil, denn er wusste offensichtlich, was sein Publikum schön fand. Das tanzte nämlich nicht nur Tango! Diese Vielseitigkeit seines Orchesta characteristica haben ihm die überzeugten klassischen Tango-argentino-TänzerInnen nicht verziehen. Bis heute nicht. Walter hat neulich mal ein Stück von ihm gespielt und vorher verbal angekündigt. Als ob er mit Protesten rechnete. Als ob Tango schmerzhaft sein müsse! Von Enrique Rodriguez gibt es nicht nur Tango argentino in seiner Reinform.
Aber selbst Michael Lavocah schreibt, dass er zunächst in Europa und später wieder in Argentinien eine große Fangemeinde gefunden hat. Er meint, seine Titel seien schön und sehr gut tanzbar. Und auf beides kommt es an! Hier ein Screenshot der möglichen Titel: