Nur eine weitere Dystopie?
Vor einigen Monaten gab es auch in Deutschland eine teure Anzeigenkampagne mit dem nichtssagenden Titel „What is the Line?“ Dazu wurden fantastische Naturbilder gezeigt. Wie man das so in der Werbung macht, mit so etwas weckt man Interesse. Wenn man einige Zeitschriftenartikel dazu gelesen hat, wird einem die Sache klarer.
Der saudische Kronprinz möchte für insgesamt 500 Milliarden USD ein neues „grünes“ Wirtschaftszentrum schaffen, einen Technologiepark mit 170 km langer Hightechstadt für eine Million Menschen. Und nachhaltig soll das alles sein. Dafür hat er sich den Nordwesten seines riesigen steinwüstenartigen Landes ausgesucht. Nördlich grenzt Jordanien an, im Westen der Golf von Akaba. Wenn man auf Google Maps schaut, gibt es dort in etwa 25 km Entfernung die Städte Haql und Al Humidah. Dort befinden sich womöglich schon einige Urlaubsressorts. Auch hat man bereits einen Flughafen mit Parkplätzen, Terminalgebäude und Rollbahn gebaut. Mitten in der Wüste. Mekka liegt 1130 km entfernt.
Klar, auch die Ölscheichs haben erkannt, dass der Ölreichtum als staatliche Einkommensquelle endlich ist. Somit ist das Projekt nicht einfach eine Spinnerei. Irgendwann wird es für das Wüstenland unerlässlich sein, Alternativen als Lebensgrundlage zu schaffen. Man möchte eine Art Sonderwirtschaftszone schaffen, die auch für Ausländer mit Geld interessant sein könnte. Dazu zeigt man in der Werbung sonnenbeschienene Felsenberge, Sand und Meer. Mehrere meist westlich aussehende Menschen werden vor dieser Kulisse gezeigt. Möchten die denn gerne dort wohnen? Was ist mit der Gesellschaftsordnung dort? NEOM ist nicht das erste derartige Projekt in Saudi-Arabien, die anderen laufen nicht besonders gut.
Klar, wenn man in so einer Gegend eine typische Hochhausstadt errichtet, dann wird zur Kühlung eine gigantische Energiemenge benötigt, um sie überhaupt bewohnbar zu machen. Insofern steckt tatsächlich ein Realitätsbezug in „The Line“. Denn ohne „Green Energy“ wird das nichts, jedenfalls nicht auf Dauer. Die Architektur sollte sich den klimatischen Gegebenheiten anpassen. Also nicht so hohe, dicht stehende Gebäude, die Schatten liefern. Die Nutzung der Solartechnik gehört unbedingt dazu, als Energieträger „Green Hydrogen“. Hoffentlich wird daraus nicht „Blue Hydrogen“, was als Umwelttechnologie ein großer Fake wäre.
Wenn man auf die Hochglanz-Website schaut, meint man, manche Themen zur Art zu Leben seien aus einem Programm der Grünen in Deutschland entnommen. Allgemeine Nachhaltigkeit, die Umwelt, die Autarkie der Anlage, der Mensch stünden im Mittelpunkt, Autos seien unnötig, oberirdisch seien nur Fußgänger unterwegs. In der unterirdischen Ebene 1 seien nur Versorgungsfahrzeuge unterwegs, in der Ebene 2 der „Line“ sei eine Schnellbahn unterwegs, sodass man alle Punkte in weniger als 20 Minuten erreichen könne.
Es erinnert mich an die Besiedlung fremder Planeten in einer völlig lebensfeindlichen Umgebung, wie sie in Filmen und Zukunftsromanen ständig beschrieben wird. Unwillkürlich drängt sich mir auch der Gedanke an den Film „Lachsfischen im Jemen“ auf. Wie lange man sich in so einer Region wohl mittags draußen aufhalten kann, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen?
Schauen wir in die deutsche Politik, wo derzeit alle Parteien außer der A-Partei grünes Gedankengut in ihr Programm aufnehmen. Klimawandel, gesunde nachhaltige Ernährung, Erderwärmung, CO2-Reduktion, Elektromobilität, weg mit der Atomkraft, Nachhaltigkeit, Zukunft und junge Generation sind der Hype gegenwärtig. Als ob konservative Politiker wie Söder konvertiert seien!
Ich musste mich dieser Tage mit dem Thema Geldanlage beschäftigen. Auch dort haben sich Begriffe „Nachhaltigkeit“ oder „Verantwortlichkeit“ fest etabliert. Es ist heute schon normal, dass ein ETF (börsengehandelter Indexfonds) einen Begriff wie „SRI“ oder „Paris Climate“in seinem Titel führt. Die Stiftung Warentest vergleicht ETFs in etwa 12 Kriterien der Nachhaltigkeit. Tabak, Alkohol, Waffen, Arbeitsbedingungen, Porno, Atomkraft, Tierversuche zum Beispiel gehören dazu. Damit möchte man bei der Geldanlage nichts zu tun haben. Soviel ist klar.
Solche Fonds scheinen derzeit zu boomen. Allerdings ist es mit der Nachhaltigkeit von Fonds oft trotzdem nicht sehr weit her, die Nachhaltigkeit ist bei ETFS meist mehr graduell zu sehen. Aber möchte man überteuerte und noch dazu riskante Spezialfonds für die langfristige Geldanlage erwerben? Das ist meiner Meinung nach nur etwas für Fundamentalisten.
Frau Baerbock wurde aktuell in einer misslungenen Anzeigenkampagne der Autoindustrie im Hollywood-ähnlichen Outfit wie Moses mit den 10 Verboten dargestellt. Welche Aufwertung! Na gut, wenn schon der saudische Kronprinz gigantische Umwelt-Projekte anstößt und ähnliches Vokabular benutzt! Die Angst der Konservativen vor Frau Baerbock sitzt tief!
Ich habe bewusst auf Links verzichtet. Ziel war zu zeigen, dass die Terminologie der Nachhaltigkeit nichts mit der politischen Couleur zu tun hat.