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Tingjoh, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Evidenzbasierte Medizin

Medizinische Informationsquellen mit Faktencheck

In der heutigen Zeit liest man sehr viel von Falschinformationen, Fake News und ominösen Influencern. Bei den seriösen öffentlichen Medien gibt es deswegen ständig sogenannte Faktenchecks. Sind die nötig, wo es doch die evidenzbasierte Medizin gibt?

Es liegt auf der Hand, dass es Meinungsmache und Betonung fragwürdiger Aspekte auch in der Medizin gibt. Als Arzt bin ich solchen Einflüssen massiv ausgesetzt gewesen. Einzelpersonen werden illegal gesponsert, ganze Berufsverbände massiv finanziell unterstützt, Leitlinien durch Expertenmanipulation beeinflusst, Publikationen passend erstellt. Manchmal ist die Einflussnahme massiv, ja schamlos direkt. Ich spreche aus eigener Erfahrung.

Für 2020 haben die 58 deutschen Mitgliedsfirmen im FSA (Freiwillige Selbstkontrolle der Arzneimittelindustrie) offiziell 558 Mio Euro im Sinne der angeblichen Transparenz im Zusammenhang mit klinischen Studien ausgewiesen. Da ist es doch wohl ein Leichtes, Einzelpersonen Gelder zukommen zu lassen. Eine Datenbank von correktiv.org mit freiwilliger Namensnennung, Betrag und Sponsor ist nicht mehr verfügbar.

Meine Reaktion darauf war, Pharmareferenten nicht mehr zu empfangen und Vorträge nicht mehr anzuhören, wenn Einflussnahme zu erwarten war. Allerdings sind gerade auch große Kongresse weitestgehend gesponsert. Es ist somit auch hier davon auszugehen, dass die gebotenen Informationen meist nicht neutral sind. In deutschen medizinischen Fachzeitschriften scheint die Angabe von Interessenkonflikten nicht stringent wichtig zu sein, so mein Eindruck im Vergleich zu internationaler Literatur.

Schon vor dem Aufkommen des Internets habe ich bereits 1987 mit Literaturrecherchen in der medizinischen Datenbank Medline begonnen. Mein Ziel war, aus erster Hand valide Informationen zu verschiedenen Themen zu erhalten. Diese und viele weitere Datenbanken der Medizin stehen heute kostenlos für Jedermann zur Verfügung. Das hat den Siegeszug der Fake News allerdings nicht verhindert. Corona führt uns das vor Augen.

Deswegen gibt es schon lange Institutionen wie die Cochrane Library oder die internationale Initiative „Choosing wisely“. Ich habe deswegen seit langem das Arznei-Telegramm abonniert, eine Nischen-Zeitschrift mit Wurzeln in den Achtundsechzigern, die sich der evidenzbasierten Medizin verschrieben hat.


Das Arznei-Telegramm hat zum Thema NNT einen schönen, aber frei zugänglichen älteren Artikel. NNT ist die number needed to treat, die im ungünstigen Falle zu einer number needed to harm wird.

Hier finden Sie zum Thema NNT den Link zu einer frei zugänglichen Website thennt home mit vielen relevanten Studien. Es ist erstaunlich, wie viele zwar populäre, aber letztlich ungesicherte Medikationen, therapeutische Maßnahmen und diagnostische Verfahren es gibt. Die Autoren haben zur Klärung sogar ein Ampelsystem geschaffen! Der Umfang ist beeindruckend.

Das Heft 4-2021 der Zeitschrift Der Internist trägt den klangvollen Titel „Weniger ist mehr…“ Gemeint ist beispielsweise das Deprescribing, die Reduktion einer Medikation auf das wirklich Gesicherte in der jeweiligen Therapiegruppe. Im leider nicht sehr praxisnahen Artikel zum Thema „Überversorgung“ wird auf die sein fast 10 Jahren bestehende internationale medizinische Aktivität „Choosing wisely“ verwiesen. Bemerkenswert finde ich das Zitat 28 https://doi.org/10.7554/eLife.45183 Schauen Sie selbst!

Ans Herz legen möchte ich die Cochrane Library. Das ist ein unverzichtbares Urgestein der evidenzbasierten Medizin.

Als Beispiele solcher ungesicherter Verfahren fallen mir sofort die Vitamin D-Substitution ein, das Stenting von asymptomatischen Stenosen bei stabiler KHK, das PSA-Screening, der Zervixabstrich, das Screening auf Mamma-Karzinom, die strikte BZ-Kontrolle bei Schwerkranken ein. Aber das sind nur einige sehr bekannte Dinge.

Weniger ist oft mehr!
Choose wisely!
Have a look at the number needed to treat!
Evidence based medicine forever!

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