Ein Anachronismus? Nein!
Heute geht es mal um ein ganz anderes Thema, nämlich eine technische Geschichte. Man könnte sonst schließlich meinen, dass es nur noch um Corona ginge. Allerdings ist diese Story mehr etwas für Nerds. Mein Anliegen ist dennoch, das Staunen über den Fortschritt zu ermöglichen. In weniger als 30 Jahren hat es in unserem Alltag eine unglaubliche technische Weiterentwicklung gegeben. Nämlich von der 2-Draht-Telefonleitung bis zur optischen Verbindung. Ist die Netzwerkverbindung per Kabel denn ein Anachronismus?
Da es sich ankündigte, dass mein Haus als Ort für eine Workation benutzt werden sollte, habe ich mich mit der im Haus vorhandenen Verkabelung für Telefon, Router, Computernetzwerk und Satellitenempfang beschäftigt. Natürlich gilt das auch für das WLAN, die drahtlose lokale Variante. Alle diese elektronischen Wege führen heute letztlich zum Internet. Digitalisierung ist schließlich angesagt, sagt die Politik.
Warum noch Kabel?
Kabel oder Leitungen (synonym verwendet), das ist aber doch wirklich trivial, total old fashioned, so könnte man meinen. Netzwerkkabel oder -leitungen, wer braucht denn noch so etwas? Wo wir doch längst bei dem Funknetzwerk-Standard 5G angekommen sind! Aber Achtung, ich nenne aber mal ein paar datenhungrige Anwendungsgebiete, bei denen allerdings eine schnelle und stabile Internetverbindung unerlässlich ist: Videokonferenzen gehören dazu, auch Videostreaming (Netflix, Amazon u. a.) und professionelles, serverbasiertes Arbeiten, somit Homeoffice.
Der Screenshot zeigt die reale Belegung der WLAN-Kanäle in Obergeschoss meines Hauses, gemessen mit einer Android-App. Es ist leicht zu erkennen, dass jede WLAN-Verbindung, zumindest bei der geringen Signalstärke auf dem Bild nicht besonders stabil bzw. schnell sein kann. Somit dürfte der Bedarf für ein stabiles und verkabeltes Netzwerk bestehen. Repeater oder ein weiterer Access-Point sollen nämlich nicht eingesetzt werden. Fading oder gar Aussetzer wie bei einem alten Kurzwellen-Radioempfänger sind heute nicht mehr akzeptabel. In Ballungsgebieten dürfte die Zahl möglichen Funkkanäle des WLAN nicht ausreichen.
Verdrahtung mit Geschichte
An der Kabellage im Haus kann man die Geschichte der Telekommunikation der letzten 30 Jahre weitgehend dingfest machen. Zu Beginn bestand im Haus eine Zweidraht-Telefonleitung mit Anschluss an eine analoge Auerswald-Telefonanlage, die wegen eines Softwarefehlers mit Impulswahl – wie schon Anfang des 20. Jahrhunderts – betrieben werden musste. Wo doch die Nachfolgetechnik Mehrfrequenzwahlverfahren bereits 1955 einsatzfähig war! Mit einem Akustikkoppler und später analogen Modems waren Daten-Übertragungsraten anfangs bis 300 Bit/sec und in der Endstufe bis maximal 28.000 Bit/sec möglich.
Später habe ich unter ISDN die gleiche Anlage noch längere Zeit hinter Splitter und NTBA mit ISDN/Analog-Wandlern weiterbetrieben, immer noch mit Impulswahlverfahren. Erst 2003 wurde sie durch eine modernere Telekom-Xi521-Hausanlage ersetzt. Diese bot weiterhin die Möglichkeit, Analoganschlüsse in allen Räumen zu bedienen wie auch eine Türsprechanlage, dabei gleichzeitig auch ISDN-Features. Nach den vielen Jahren ist diese Anlage eigentlich schon lange wieder obsolet. Grund für die Weiternutzung ist lediglich noch die gut funktionierende externe Anrufweiterleitung der Anlage. Mein LTE-Handy funktioniert dadurch wie ein Gerät der Hausanlage. Sehr gut!
Das Problem ist heute allerdings, dass jeder Bürger ein Smartphone hat. DECT-Telefone, die drahtlose Ergänzung der Festnetztelefonie, haben somit eigentlich auch schon wieder ausgedient. In Zukunft wird wohl bei der Nutzung eines Smartphones zusätzlich ein reiner Internet-Anschluss des Haushalts ausreichen. Selbst den werden nicht alle Haushalte brauchen. Festnetztelefonie ade!
Entwicklung der Datenübertragung im Haus
Das Haus wurde damals mit 15 mm-Leerrohren für 10-adrige Telefonleitungen und TV-Kabelanschluss versehen. Somit waren die Anschlüsse leicht zu realisieren. ISDN erfordert ja 4 Adern, somit war selbst das kein Problem bei den 10-adrigen Hauptleitungen. Daneben habe ich später Netzwerk-Koaxial-Kabel für 10Base2 in die gleichen Rohre eingezogen. Nach ISDN mit maximal 128 kBit/sec war das damals ein Quantensprung der Übertragungsgeschwindigkeit, nämlich 10 MBit/sec zumindest in der Theorie.
Statt mehrerer separater Geräte (Hausanschluß, Splitter, NTBA, analoge Anlage mit DECT-Telefonen, ISDN-Anlage und DSL-Modem benötige ich seit 5 Jahren im Haus eigentlich nur noch eines, nämlich einen VDSL-Router Zyxel Homebox 6641, der alle Aspekte inklusive VOIP, DECT und WLAN in einem Gerät vereint. Die alte Hausanlage Xi 521, die über ISDN angeschlossen ist, wird nur noch benutzt, um die verkabelten TAE-Raumanschlüsse und die interne Rufumleitung in der Anlage weiterhin nutzen zu können. An einer 2-Draht-Leitung betrieben liefert der Zyxel-Router reproduzierbar 58 MBit/sec im Downstream und 11 MBit/sec im Upstream ab. Das ist für mich mehr als ausreichend.
Ergänzt wird diese Menge an Leitungen noch um die Verkabelung eines Quad-LNB der Satellitenanlage für Astra 19.2 ° Ost. Ein vorhandener Kabelanschluss für TV oder Internet bleibt sogar ungenutzt. Somit gibt es immer noch reichlich viele Kabel im Hausanschlussraum. Trotz WLAN, das die Homebox im Dual-Band-Betrieb zur Verfügung stellt.
Zusätzlich habe ich schon vor Jahren ein CAT5e-Netzwerkkabel Typ STP vom Hausanschlussraum bis in das Wohnzimmer eingezogen, etwa 25 Meter waren das, eine schweißtreibende Angelegenheit. Daran ist ein einfacher Dual-Band-TP-Link Router Archer C20i als WLAN-Access-Point und Switch angeschlossen. Der funktioniert prima mit fester IP-Adresse und DHCP auf OFF.
Angesichts des bevorstehenden Home-Office habe ich mir vorgenommen, zwei weitere Räume, nämlich die früheren Kinderzimmer im Obergeschoss, an die Homebox im Hausanschlussraum anzuschließen. Diese stellt 1GBit/sec pro Anschluss bereit. Leider ist es mir nicht gelungen, ein fast 7 mm dickes CAT5e-Netzwerkkabel vom Typ STP am Telefonkabel vorbeizuziehen.
Heimnetzwerk mit CAT6-Kabel
Nach längerem Nachdenken kam ich auf CAT6-Flachkabel vom Typ U/UTP. Das ist ein unscheinbares 8-adriges Kabel mit einem Profildurchmesser von 6 mal 1,5 mm, preiswert ist es auch noch. Das ließ sich bei einer Gesamtlänge von 30 m unter Verwendung von Silikonspray spielend leicht durchziehen. Leider gelang es nicht, RJ45-Stecker durch Crimpen anschließen. Die 8 Adern des Kabels haben schließlich jeweils nur einen Außendurchmesser von 0,5 mm samt Isolation. Erst durch Löten der filigranen Litzen und Verwendung von Schrumpfschläuchen war es möglich, die Verbindung zu herzustellen. Feinmotorik ist hier unbedingt erforderlich! Die preiswerten Steckerchen sind offensichtlich für die viel dickeren monofilen Adern von Netzwerkverlegeleitungen gedacht.
Mit einem chinesischen Netzwerktester war es nun leicht, die Korrektheit der Verdrahtung zu prüfen. Der Funktionstest mit dem Laptop ergab mit 1 GBit/sec die maximale Datenrate der Geräteschnittstellen. Das CAT6-Kabel hätte womöglich auch 10 GBit/sec geschafft. Nicht schlecht, bei so wenig Aufwand! Wenn man bedenkt, dass die im Computer per SATA III angeschlossenen SSDs 6 GBit/sec Datenübertragungsrate erreichen, finde ich das Tempo der heutigen Netzwerkverbindungen technologisch sehr erstaunlich.
Glasfaser-Anschluss – wofür?
Die Nyquist-Frequenz des unscheinbaren CAT6-Kabels erreicht unglaubliche 4 mal 417 MHz. Damit ist es möglich, über < 45 m Distanz bis 10 GBit/sec zu übertragen. Die dafür nötigen Eigenschaften, Protokolle und Modulationsverfahren sind in dem Wikipediaartikel Ethernet umfangreich beschrieben. Auch geht es hier um optische Netzwerkverbindungen, in Rechenzentren sicherlich unentbehrlich, zusätzlich in der öffentlichen Meinung die Zukunftstechnik für jedermann. Wobei die flächendeckende Versorgung damit vielleicht zu Übertragungsraten bis 1 GBit/sec führen würde, aber auch zu immensen Kosten von möglicherweise 100 Milliarden Euro deutschlandweit.
Mir erschließt sich aktuell nicht, wofür die hohe Übertragungsrate eines Glasfaseranschlusses im Privatbereich derzeit sinnvoll genutzt werden könnte. Wo doch die vorhandenen 2-Draht-Anschlüsse mit der Super-Vectoring-Technologie bis 250 MBit/sec erreichen können. Vielleicht ist ein Glasfaser-Hausanschluss für 8K-Videostreaming nötig, oder aber für den Betrieb eines Servers.