Neues aus Nerdistan
Nun habe ich mein Laptop schön eingerichtet mit Dual Boot für Linux Mint 20.04. Das ist eine gute Idee, denn alles funktioniert, so wie erwartet, auch ohne Konfiguration durch einen typischen Nerd. Klar, Linux bietet weniger Klickibunti als Windows. Es ist aber aufgeräumter, sieht solider aus. Bildschirm und Drucker werden mühelos erkannt, die Audioausgabe ist kein Problem. Und eine solide Software-Grundausstattung ist sowieso dabei. Warum soll man überhaupt noch Windows verwenden?
Mein Interesse ist ja, Linux für Audio-Software zu einzusetzen. Darüber habe ich schon mehrfach geschrieben. Die erzielbaren Latenzen sind unter Linux einfach geringer, selbst ohne den Echtzeitkernel von Linux. Und Dropouts fehlen fast völlig. Unter Windows ist das nicht leicht zu realisieren, und die Konfiguration definitiv nur für Nerds geeignet. Also keinesfalls selbsterklärend.
Bei einer typischen Linux Audio-Konfiguration kommt man am Daemon Jack nicht vorbei, wegen der erwähnten Latenzen und des MIDI-Routings. Und dessen Konfiguration ist eine haarige Angelegenheit. Nichts ist selbsterklärend, Tutorials fehlen, Beispielinstallationen sind Mangelware. Da hilft nur die Methode Trial-and-Error, also das typische Vorgehen eines Nerds. QJackCtl als Bedientool ist völlig Beta, hat eine unfertige Benutzeroberfläche, leider.
Die letzte Krönung war eben ein Installationsversuch von MuseScore 3.6.2, einem freien miditauglichen Notationssystem mit eingebautem SF3-Fluidsynth, verfügbar für mehrere Plattformen. Der ließ sich zwar leicht über die Anwendungsverwaltung und auch über die Synaptic-Paketverwaltung installieren. Aber die Konfiguration der Ein-/Ausgänge war nicht möglich. Angezeigt wurden die Optionen PulseAudio, PortAudio und Jack, Alsa fehlte, Null Erklärung im Handbuch. Die MIDI-DIN-Buchse der Bedienoberfläche wurde niemals angezeigt.
Im Netz gibt es dazu verwirrende Empfehlungen. In meinem Falle half nur Deinstallation der Version 3.6.2 und Installation der Version 3.2.3 von MuseScore über die Synaptic-Paketverwaltung. Auf Jack eingestellt funktionierte Musescore nun sofort, lustigerweise auch ohne Jack. Ich vermute, dass sich diese Version automatisch auf einen Standard-Daemon einstellt, seien es Alsa Audio oder PulseAudio. Das funktioniert, ist aber irritierend, und hängt wohl mit der plattformübergreifenden Realisation mit Qt zusammen.
Leute, man merkt schon, ich tappe etwas im Dunkeln! Glaube jetzt aber niemand, dass das bei Windows besser sei! Konfiguriert doch mal WASAPI in Cakewalk. Ableton ist standardmäßig auf die MME-Soundausgabe eingestellt, Latenz vielleicht 200 msec.
Wenn man Jack startet, als Daemon für MIDI (a2j starten nicht vergessen) und Audio, dann sind normalerweise die Systemklänge nicht verfügbar, ebenso bleiben Apps wie der Browser, VLC oder Rythmbox stumm. Somit gilt es, den Sound zu Jack umzuleiten.
Wie zu erwarten, ist Linux Audio schichtenweise aufgebaut. Üblicherweise greift bei Linux Mint die Soundausgabe auf PulseAudio zu. Dieser Daemon spricht wiederum Alsa an, Alsa als Daemon greift endlich auf die Systemhardware zu. Wenn Jack vor Alsa gesetzt wird, bleibt der Sound von PulseAudio leider stumm. Schade auch!
Meine selbstgesetzte Aufgabe ist es nun, die Audio-Ausgabe von PulseAudio zu Jack zu leiten. Dazu befrage ich erst mal das Netz, und lande bei einem kilometerlangen Artikel PulseAudio under the hood. Nichts ist hier klar, alles nur komplex. Aber irgendwo mit den Stichworten Linux Mint 20.04, PulseAudio und Jack finde ich letztlich eine einfache und recht aktuelle Anleitung dafür.
So geht’s bei Linux Mint 20.04:
Installieren der nötigen PulseAudio-Module:
sudo apt-get install pulseaudio-module-jack
In QJackCtl – Einstellungen – Optionen – Skript nach Start ausführen:
Dort direkt oder in ein angesprochenes Skript einfügen:
pactl load-module module-jack-sink channels=2; pactl load-module module-jack-source; pacmd set-default-sink jack_out
Das war es schon, die Audio-Ausgabe von Pulseaudio zu Jack ist schon fertig. Ich starte ja nun (auch per Skript) den Audio-Host Carla, der eine schöne Patchbay, also ein multifunktionales Steckerfeld bietet. Sollte man irgendwann Jack per QJackCtl stoppen, so wird die Audio-Ausgabe völlig automatisch wieder den üblichen Weg nehmen. Voilà!
Lieber Albrecht,
trotz einer Fehlermeldung beim Installieren von pulseaudio-module-jack hat das Ganze auf Anhieb funktioniert.
Die Meldung: „libdvd-pkg: `apt-get check` failed, you may have broken packages. Aborting…“. Ich ignoriere das jetzt einfach einmal.
Vielen Dank
Peter