Eine „Haltet-den-Dieb“-Strategie?
Im Heise-Interview hat der IT-Profi Golo Roden vor ein paar Tagen große Sicherheitsbedenken als Argument gegen Mastodon-Server vorgebracht. Schwer verständlich, dass nicht zum Vergleich Strukturen von Meta oder Twitter gecheckt wurden. Auch postet er regelmäßig auf Twitter, nutzt YouTube beruflich für seine IT-Podcasts, ist Preisträger von Microsoft. Was er da freiwillig an Daten abliefert an die Giganten! Wieso hat er dabei keine Sicherheitsbedenken?
Seit November 2022 habe ich einen Account auf Mastodon. Ich bin auf dem Server nrw.social als meercat34 registriert. Alle paar Tage poste ich zu bestimmten Hashtags aus meiner privaten Fotosammlung. Bisher kaum sonstige Informationen oder Statements. Allerdings ist mein Blog lang-rs.de bei Mastodon verlinkt, damit auch meine genauen persönlichen Daten. Immerhin habe ich in meinem Profil einen grünen Haken dafür gekriegt!
Der Server nrw.social hat eine klare content policy. Hate, Fake, A-Partei, Querdenker, Trolle, Feindseligkeit, Gewalt und andere schlechte Sitten haben hier keine Bleibe. Ich habe nur anfangs einmal kurz einen Putin-Troll gesehen. Die ganzen Gülle-Posts wie auf Facebook oder Twitter gibt es hier (noch) nicht. Diese unterirdischen Posts gehören zum Geschäftsmodell der Giganten. Aufreger verbreiten sich wie Gestank von Gülle.
Erstaunlich, dass man bei Mastodon bereits über gepostete Bilder viele Leute mit vergleichbaren Interessen findet. Es gibt doch noch Menschen, die ähnlich ticken wie man selbst. Schön, dass es auch ohne Hass und Fake geht. Ich habe bis heute extrem wenig Werbung auf Mastodon gesehen. Eine manipulierte Timeline gibt es hier schließlich nicht. Das ist der Hauptvorteil, weil große Blasen damit unwahrscheinlich werden.
Gibt es denn das „gute“ Internet der Anfangszeit noch? Ein Medium, in dem man freundlich und zurückhaltend interagiert! Sogar mit örtlichem Bezug! Vielleicht hat das total kommerzielle Internet bzw. Social Media tatsächlich überzogen. Das (kommerzielle) Internet ist m. E. nach kaputt. Da kann ich Herrn Roden recht geben. Alles für lau, High Tech umsonst, wie soll das gehen? Geiz ist Geil kann auf die Dauer nicht funktionieren. Unsere persönlichen Daten sind bei kommerziellen Social Media die Vergütung, wir selbst sind Handelsware und Zielgruppe.
Vermutlich hat Herr Roden recht, wenn er sagt, die Finanzierung von Mastodon müsse auf feste Füße gestellt werden. Ein Abo-Modell vielleicht, oder Spenden wie bei Wikipedia. Es taucht sonst das gleiche Problem auf, wie bei Open-Source-Software generell. Umsonst kann es auf Dauer keine freie Software geben.
Das Linux Mint 21, der Firefox-Browser, das WordPress auf dem ich hier schreibe, sind nur möglich, weil es neben Kleinspendern auch Großspender wie Firmen gibt. Die haben ein wirtschaftliches Interesse daran, dass es außer Closed-Source-Software von Microsoft u. a. auch noch ernsthafte Software als Open Source gibt. Beispiele sind Linux-Varianten, der Apache Web-Server, LibreOffice und eigentlich auch Android.
Golo Roden stellt abschließend Social Media insgesamt infrage: Braucht man sie wirklich? Aber wie oben beschrieben, halte ich seine Motive für die Kritik an Mastodon nicht für lauter. Für ihn ist ein unabhängiger Microblogging-Dienst womöglich eine berufliche Gefahr. Er könnte seine eigenen finanziell motivierten Aktivitäten schwächen, die ja Timelines für Werbung benötigen.
Das Argument Sicherheitsbedenken gegen Mastodon scheint vorgeschoben. Datenklau ist schließlich anderswo meist Standard kommerzieller Systeme. Mir ist nicht bekannt, dass Mastodon bereits in größerem Stil gehackt wurde. Dass das System professionell weiterentwickelt, verteilt und gehostet werden muss, versteht sich von selbst.
Roden liest sich in der Tat wie „haltet den Dieb“. Anscheinend gibt es für ihn Konkurrenz zu bekämpfen. Ich erlebe allerdings auch die auf den Geräten vorinstallierten Android Versionen nicht minder bedrohlich. Android wurde seinerzeit von Google aus Linux entwickelt und proprietär gemacht, da war wohl Schluss mit don’t be evil. Und die Priorisierung der Suchergebnisse richtet sich nur noch nach der Bezahlung. Oder gelingt es Benutzern, nach Aktualität und Präzision
zu prorisieren?