Sind Fernurlaube noch zeitgemäß?
Es ist schon erstaunlich. Kaum ist es warm in Deutschland, dann stehen Urlaube im Süden hoch im Kurs. Dort ist es derzeit brüllend heiß, bis 48 Grad C°, auch vermiesen gerade Waldbrände auf Rhodos den Urlaub. Natürlich spielen die Sommerferien bei der Terminwahl mit, denn die Kleinen müssen schließlich bespaßt werden. Ist es eine Alternative, Urlaub in der Nähe des Wohnortes zu machen?
Selbst viele Ältere, die eigentlich nicht an die Ferien gebunden sind, steigen zu dieser Zeit in den Flieger. Für mich ist das schwer verständlich. Oder hat der Hedonismus komplett gesiegt? Reisen, das muss immer gehen. Was kümmern uns Klimakrise, Energiekrise, Inflation und der Krieg gegen die Ukraine?
Selbst in der von mir als konservativ eingeschätzten lokalen Zeitung RGA ist ständig von Klimakrise, Erderwärmung und Energiekrise die Rede. Hallo, hallo, interessiert das irgendjemanden eigentlich? Klimakrise ja gerne, aber bitte doch ohne private Einschränkungen!
Wir haben 2019 zuletzt Flugreisen unternommen. Es ging damals nach Ungarn und auf die Kanaren. Dann folgte Coronavirus, sodass für uns eigentlich nur noch Kurzurlaube in der Nähe anstanden. Coronavirus haben wir uns nicht geholt dabei. Ist das eigentlich Verzicht gewesen? Leben wir denn nur, wenn in der Ferne verweilen? Hat die Nähe nichts zu bieten? Zugegeben, ein Ortswechsel kann manchmal hilfreich sein.
Bad Arolsen als Urlaubsort
Vor drei Tagen sind wir von einem Urlaub in Bad Arolsen zurückgekehrt. Das liegt in Nordhessen nicht weit von der Autobahn A44. Der Ort ist 150 km von unserem Wohnort entfernt, mit dem PKW fährt man in zwei Stunden bequem dorthin. Die 6 Nächte waren wir untergebracht in einem Wellness-Hotel vis-a-vis vom schicken Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert. Der Ort weist im Zentrum eine nahezu einheitliche Bausubstanz auf, Mansardendächer im französischen Stil prägen den Ort.
Es gibt viele Einkehrmöglichkeiten, Shopping stellt überhaupt kein Problem dar. Dazu gibt es eine Reihe von Sehenswürdigkeiten wie das Schloss und mehrere Museen. Das Preisniveau ist insgesamt gesehen eher günstig. In der Umgebung von Bad Arolsen gibt es ausgedehnte Wälder, die zu Wanderungen einladen. Erwähnenswert ist die nahegelegene Twiste-Talsperre mit einem Ferienzentrum.
Wir haben uns in dem Ort richtig wohlgefühlt, und einige Wanderungen und Besichtigungen unternommen. Auch zwei Fahrten nach Bad Wildungen gehörten dazu. Den Tanztee am Sonntag mit dem Wildunger Kurorchester haben wir uns nicht entgehen lassen. Dort waren wir schon mehrfach, eine wirklich nostalgische Veranstaltung ist das, in gehobenem Ambiente.
Besuch in Korbach
Auf dem Rückweg haben wir die Altstadt von Korbach besichtigt. Sehr schöne alte Gebäude wie die alte Kilianskirche hat diese Hanse-Stadt zu bieten. Es gibt einen eindrucksvollen Rundweg innerhalb der doppelten Stadtmauer. Beim Besuch des Korbacher Heimatmuseums neben der Kirche gibt es unter anderem ein Modell des Procynosuchus zu sehen, einer Art Reptil, liebevoll Prozzi genannt, aus der Zeit vor 250 Millionen Jahren. Hinweise auf diese Kreatur ergaben sich in den Fossilien-Funden der Korbacher Spalte. Wenn man so will, kann man die von der Bedeutung her mit der Grube Messel vergleichen. Erdgeschichtlich ist diese aber viel jünger.
Geschichte überall
Die weitere Fahrt führte uns zu den Bruchhauser Steinen im Hochsauerland, einer durch die 4 großen Porphyr-Felsen aus der Zeit vor 370 Millionen Jahren imposanten ehemaligen Kultstätte und Festung, die aus der Eisenzeit vor etwa 2300 Jahren stammt.
Politik und Geschichte
Arolsen hat eine nicht nur positive Geschichte. Der Ort war lange schon Militärstützpunkt und leider auch Nazi-Hochburg incl. einer Zweigstelle des KZ Buchenwald. So finden sich hier heute noch die Arolsen Archives. Dieses ist aus dem Internationalen Suchdienst der UN hervorgegangen und umfasst heute noch Dokumente zu Verbleib von Millionen von Menschen. Enttäuschenderweise ist ein einfacher Besuch wie in einem normalen Museum nicht möglich.
Der Besuch im schönen Residenzschloss ist dagegen leicht möglich. Die Sanierung wurde auch mit zweistelligen Millionenbeträgen öffentlich gefördert, es ist ja erhaltenswertes Kulturgut. Im rechten Flügel wohnt der derzeitige Clanchef Wittekind. Interessant finde ich, dass der ehemalige Clanchef Erbprinz Josias zu Waldeck und Pyrmont (geb. 1896, verst. 1967) ein hochaktiver Nazi war, der schließlich von einem US-Militärgericht als Kriegsverbrecher zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde.
Fazit
Es hat sich wieder gezeigt, dass der Urlaub in der Nähe der Heimat eine sehr gute Alternative ist. Selbst das Wetter hat in Nordhessen mitgespielt. Neben diversen Wanderungen gab es touristische und örtliche Highlights. Die lokale Geschichte war hochinteressant, wie so oft ist sie ein Teil des Ganzen.
Bis in die 1990er gab es sogar Ehemaligen-Treffen der SS im Ort, wie die taz berichtet. Ein 1993 geborener Enkel führt wieder den belasteten Namen Josias. Handelt es sich hier um ein Greenwashing der besonderen Art? Erstaunlich finde ich, dass Schloss und Ländereien immer noch im Besitz der Familie bzw. einer Familienstiftung sind.