Der Tag
Es ist ein Freitag gegen Ende August 2023. Die Wetternachrichten melden Gewitter, Starkregen und Sturm. Draußen schüttet es gerade, es wird gar nicht erst richtig hell. Aber gleich ist mein Termin bei Amtsgericht. Ich entscheide mich für ein klassisch-strenges Outfit. Dunkles Sakko, schwarze Stoffhose, hellblaues Hemd, keine Krawatte. Es wird ja keine goldene Hochzeit, soviel ist schon klar.
Ich mache mich in einer kurzen Regenpause auf den Weg. Sicherheitshalber fahre ich nicht durch die Unterführung. Man weiß ja nie, vielleicht ist die gerade überflutet und ich bleibe drin stecken. Aber nein, ich erreiche problemlos den Parkplatz hinter dem Gericht, finde gar einen freien Stellplatz. Direkt hinter dem mit Stacheldraht eingezäunten Gebäude. Super!
Warten
Eine Viertelstunde vor dem Termin begebe ich mich bei Regen mit dem Schirm auf den kurzen Fußweg. An der viel befahrenen Hauptstraße erwischt mich sofort ein massiver Wasserschwall. Eine Frau in einem schwarzen Audi ist direkt neben mir voll durch eine tiefe Pfütze gebrettert. Schon ist sie weg. Mir zieht ein Fluch durch den Kopf, spreche ihn aber nicht aus. Den würde auch niemand hören. Deswegen spare ich ihn mir. Bin ein begossener Pudel halt.
Ich passiere zügig die Sicherheitskontrolle, muss nicht einmal meinen Personalausweis zeigen. Im zweiten Stock nehme ich in Abstand vom Eingang zum Verhandlungsraum Platz. Sicher ist sicher. Nur nicht hier noch einen Eklat produzieren, das ist meine Devise.
Die Gegenseite erscheint fünf Minuten vor dem Termin. Aha, da ist auch mein Anwalt. Noch etwas Smalltalk mit ihm. Nächstes Jahr hätte ich goldene Hochzeit gehabt, sage ich. Sie waren noch jung bei der Heirat, sagt mein Anwalt. Stimmt, sage ich, 22 Jahre. Bei der Trennung vor 17 Jahren hätte meine Ex durchaus noch etwas aus ihrem Leben machen können, anstatt mir nur auf der Tasche zu liegen.
Der Termin
Warten ist nun angesagt. Die Anwältin der Gegenseite wird schon ungeduldig. Der nächste Termin wartet schon. Mein Anwalt macht sich kurz beim Richter bemerkbar. Und bald geht es los. Der Raum hat viele Fenster und eine extrem helle Beleuchtung. Ich nehme neben meinem Anwalt Platz. Die Gegenseite gegenüber, das war klar. Blickkontakt zu meiner Ex gibt es vielleicht für 0,1 Sekunden.
Der Richter lächelt etwas, spricht sehr leise. Die üblichen Sprüche wohl. Ob ich geschieden werden möchte. Ja. Gleiche Fragen auch an meine Ex. Tatsächlich, sie will auch geschieden werden. Jetzt werden Formalien und Anträge besprochen, diktiert und noch mal vom Diktiergerät abgespielt. Schwer zu verstehen, bei der geringen Lautstärke. Hoffentlich stimmt alles, und keinerlei Unterhaltsaspekte wirken fort.
Nur ein paar Sekunden geht es mit mir durch, als die Anwältin der Gegenseite mir noch eine Frist für 800 Euro angebliche Unterhaltsnachzahlung auferlegen lässt. Ich sage, ich hätte mit dem Gedanken gespielt, die hier und jetzt bar zu übergeben. Es aber wieder verworfen, da es mir affig vorgekommen wäre. Bis zur letzten Sekunde immer noch Geld aus mir heraus quetschen! Ich kriege zum wiederholten Male den Föhn! Ich überweise den Betrag gleich, sage ich. Und kriege ganz zuletzt nochmals eine Frist zu Zahlung. Krass!
Dann ist es aber auch schnell vorbei. Die Scheidung wird sofort rechtskräftig. „Sie sind jetzt geschieden.“ Danke schön wäre jetzt nicht ganz passend, freundliches Händeschütteln auch nicht. Wir verlassen nacheinander wortlos den Gerichtssaal.
Abgang
Die Anwältin der Gegenseite ruft meine Ex zur Seite. Mein Anwalt nimmt mich mit zu einem Anwaltsbüro im Gerichtsgebäude, um noch irgendetwas noch zu besprechen. Offensichtlich sind die beiden Scheidungsanwälte eingeübt, den problemlosen Abgang der Streitparteien zu garantieren. Nur keine Komplikationen in diesem Moment! Bloß keine Gewalt, keine Beleidigungen!
Draußen scheint die Sonne wieder. Ich steige in mein Auto, fahre los und erreiche mein Heim diesmal problemlos. Produziere keinen Unfall, werde nicht geblitzt wegen zu schnellem Fahren, muss auch niemanden anhupen. Irgendwie bin ich aufgeräumter als beim letzten Anwaltstermin.
Fazit
Keine Goldene Hochzeit gibt es für mich, da gibt es nun nichts mehr zu rütteln. Die emotionalen Nachwirkungen des Termines werden mich aber noch einige Tage verfolgen. Um soviel Ärger aufzubauen, musste es wohl damals eine „Romantische Heirat“ gewesen sein. Es war auch ohne Zweifel die größte geschäftliche Fehlentscheidung meines Lebens bisher, die Firmenpleite mit eingerechnet. Ich war zumindest damals naiv. Später sinke ich in einen tiefen Mittagsschlaf.