Mitte Mai waren wir zu Besuch in Wetzlar und hatten Zeit für eine kleine Fotosafari. Diese Stadt ist die Heimat der Optik-Firma Leitz und damit auch des Markennamens Leica. Heute ist dieser im Besitz eines amerikanischen Mischkonzernes. Die Marke wird als Synonym für Luxus und hohe Qualität vermarktet. Vor Ort in der gläsernen Fabrik kann man dem Entstehen der eigenen Edel-Kamera beiwohnen. Aber ehrlich: Braucht man zum Fotografieren unbedingt eine Kamera der Luxusmarke? Reicht für das Fotografieren nicht zumeist ein normales Smartphone, Pro und Contra?
Heute werden schließlich die meisten Fotos und Videos mit den Kameras von Smartphones hergestellt. Darum geht es hier, wie das Fotografieren mit dem Smartphone zum Standard werden konnte, und klobige Systemkameras auf dem Rückzug sind. Natürlich kann man jeweils gute Argumente für das Pro und Contra auflisten.
Das wichtigste Gegenargument ist die geringere optische Güte der Aufnahmen mit Smartphones. Das wird wohl oft so sein, obwohl ich insgesamt nicht ganz sicher bin. Denn die technische Innovation findet zumeist hier im Smartphonebereich statt. Große und schwere Systemkameras sind eher etwas für echte Profis. Oder für Leute, die sich so geben möchten. Wer macht denn schon riesige Ausdrucke? Wer benötigt das Raw-Format wirklich?
Das wichtigste Argument für das Fotografieren mit dem Smartphone ist natürlich die Verfügbarkeit, die Einfachheit. Die Geräte machen heute schon bei ungünstigen Lichtverhältnissen gute Aufnahmen. Mein Handy macht bei einem elektronischen Zoomfaktor von 4 noch ordentliche Bilder. Bei den meisten Anlässen ist die Qualität der Bilder mehr als ausreichend, gar gut bis sehr gut. Wer mehr braucht, kann ein Smartphone mit miniaturisierter optischer 3-fach Zoom-Kamera im Periskop-Stil erwerben. Die Entwicklung geht hier weiter.
Beim Teilen von Bildern auf Mastodon habe ich gelernt, dass es nicht technische Parameter sind, sondern das Motiv entscheidend ist. Wie es in Szene gesetzt wird, wie Lichteffekte verwendet, wie Bildausschnitte begrenzt, Unschärfeeffekte benutzt, wie Bilder vorsichtig optimiert werden, zum Beispiel störende Objekte entfernt werden können. Alle heutigen Smartphones bieten hier absolut ergonomische und weitreichende Möglichkeiten. Natürlich kann man mit Adobe Photoshop Bilder bestimmt in größerem Umfang manipulieren, das ist unbestritten.
Aber ist das erforderlich für den vorgesehenen Anwendungszweck? Zumeist geht es doch um die Erstellung von Belegfotos, von Momentaufnahmen für ein privates Fotoalbum, für einen Blog oder für Social Media. Die Einfachheit des Vorgehens zählt.
Diese Art von Fotos benötigt keine Hochauflösung und keinen riesigen Bildsensor. Solche Bilder werden schließlich zumeist auf Smartphones mit Bildschirmen von etwa 2,5 Megapixeln Auflösung angesehen.
Schnell bewegte Motive, sich bewegende Menschen, Tierfotografie mit großem Abstand, Nachtaufnahmen und Copyright-geschützte Motive sind nicht gerade die Domäne dieser Art von Fotografie. Hier ist eher Profi-Ausrüstung nötig.
Aber zumeist gilt: Im Vordergrund steht die Besonderheit des Motivs. Häufig sind das Naturbilder, die mich irgendwie beeindrucken. Pflanzen, Bäume, Wiesen, Täler, blauer Himmel, Spiegelungen im Wasser, besondere Muster von Wolken, Tiere. Die Gesamtkomposition des Bildes ist es, was zählt. Die Intention des Fotografen, transportierte Emotion, ein ausgewählter Hintergrund, interessante Nebenelemente, besondere Lichteffekte. Sobald Menschen oder Innenräume zu sehen sind, gilt es, das Urheberrecht zu beachten.
Für solche motivbetonten Fotos braucht der Fotograf selbst eine besondere Wahrnehmung seiner Umgebung. Das sehen, was eigentlich offensichtlich ist, aber in der Komposition des Ganzen zum Besonderen wird. Ob man dafür eine Drittel-Regel oder gar den Goldenen Schnitt kennen muss, das wage ich zu bezweifeln. Die Kenntnis von technischen Bildparametern ist vielleicht hilfreich, aber nicht mehr zwingend erforderlich.
Als Ausblick möchte ich vermuten, dass es durch Anwendung von sogenannter künstlicher Intelligenz – AI – bald Hilfestellung bei der guten Motivwahl geben wird. Die Motivklingel, von der mein Vater schon vor mehr als 60 Jahren sprach, ist heute fast schon Realität. Fotografieren mit dem Smartphone ist heute schon für die meisten Fälle Standard, Pro ist stärker als Contra. Die technische Weiterentwicklung ist rasant. Das Motiv ist das Wichtigste.