Jetzt wird es politisch, aber ich halte das aktuell für eine total nervöse Debatte um die Migration! CDU/CSU, die FDP und natürlich das BSW versuchen, die AfD mit ihren fremdenfeindlichen Forderungen noch zu toppen. Die Rechtsstaatlichkeit scheint dabei keine Rolle mehr zu spielen. Als ob es irgendeine Notlage dafür gäbe! Aber schick ist so eine Forderung schon, weil sie dem Zeitgeist entspricht, wie ein AfDler im Bundestag formulierte.
Natürlich war es Terror des IS in Solingen, vollbracht von einem Einzeltäter. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass es nach dem Mordanschlag der Rechten auf die Familie Genc in Solingen eine vergleichbare Reaktion in der Öffentlichkeit gab. Die vielen brennenden Flüchtlingsunterkünfte quer durch Deutschland schon wieder vergessen? Was ist mit den vielen Mordanschlägen durch Neonazis? Auf Walter Lübke in Hessen zum Beispiel? Was ist mit der Umweltkatastrophe im Ahrtal? Was mit den vielen Verkehrstoten? Wo bleibt eigentlich die Diskussion um die Folgen der Klimakrise?
Als ob Deutschland durch den Krieg nicht schon genügend Probleme hätte, denken wir an die mächtige Preissteigerung, die Verteuerung der Energie insgesamt. Dann die Probleme in der Autoindustrie, mit dem Schiffsbau, mit der Bahn, mit der Landwirtschaft, mit den Brücken und der Infrastruktur insgesamt. In 16 Jahren Merkel ist offensichtlich viel liegen geblieben.
Und die Deutschen sind leider nicht mehr die Fleißigsten. Wer möchte denn gerne Hilfstätigkeiten verrichten? Wer zu ungünstigen Zeiten arbeiten? Schicht- oder gar Nachtdienst verrichten ist schließlich unpopulär. Wer möchte andere pflegen? Doch bitte virtuell arbeiten zu angenehmen Arbeitszeiten, dabei viel verdienen. Das wäre es.
Dabei braucht Deutschland dringend Einwanderung, um die vielen für Deutsche unbequemen Stellen zu besetzen. In meiner Zeit im Krankenhaus in Remscheid war das zuletzt völlig augenfällig. Ohne Pflegekräfte aus dem Ausland, ohne ÄrztInnen auch aus dem Ausland liefe dort nichts mehr. Und da ist schon viele Jahre so. Ich meine mich erinnern zu können, dass die etwa 1000 Beschäftigen aus 40 Nationen stammen. Wer soll uns Alte denn irgendwann pflegen, wenn es zu wenig Nachwuchs für die Pflege gibt?
Mich erinnert das an die aufgeheizte Diskussion um die Migranten in den USA. Die ist oft ebenfalls frei von sachlichen Abwägungen. Wer soll bitte dort die einfachen Tätigkeiten machen? Den Migranten kriminelles Verhalten nachsagen, das ist dort ein Trump’sches Narrativ. Das ist nun auch nach Europa gelangt.
Wenn wir in die Geschichte schauen, ist gerade in Westeuropa und den USA die Gesamtentwicklung ohne Migration gar nicht denkbar. Die lange Geschichte der größeren Städte wie Frankfurt, Köln, Bonn oder Aachen wird nur mit ihr verstehbar.
Wie kann man jetzt vom Vorteil geschlossener Grenzen in Europa faseln, wo doch das ganze Wirtschaftssystem verflochten ist? Haben wir nicht gerade in Europa genügend Kriege als Folge der Kleinstaaterei erlebt? Die Tatsache, dass es die EU überhaupt gibt, ist historisch gesehen ein nie dagewesener Vorteil. Und daran sägen? Die AfD ist eine Europa-feindliche Partei, das ist doch bekannt.
Und auf so ein Narrativ aufspringen, wo die Folgen juristisch unabsehbar sind? Ich denke auch, dass Deutschland die Abschiebung von Menschen, denen in juristischen Verfahren das Bleiberecht verwehrt wurde, besser organisieren muss, das ist klar. Aber dafür geltendes Recht brechen? Niemals! Eine ganz schön nervöse Debatte um die Migration ist das! Bitte sachlich bleiben! Oder wollen wir Getriebene der Populisten sein?
Mein Rat ist, die Migranten möglichst früh in Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Die Sprachkurse könnten sicher intensiviert und verbessert werden. Muss jemand in jedem Job perfekt Deutsch sprechen und schreiben können? Vielleicht reicht oft ein pragmatisches Vorgehen.
Im Bereich der Medizin scheint das mit der Sprachkenntnis m. E. schon wichtig zu sein. Was ich da so im Krankenhaus erlebt habe! Mir stehen noch heute die Haare zu Berge, wenn ich daran denke.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich daran, dass es 1993 – 1994 ein Abschiebegefängnis auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei in Lichtscheid In Wuppertal gab. Da ich selbst auf Vermittlung meines damaligen Chefs, Prof. Dr. Menge, als „Abschiebearzt“ dort tätig war, erinnere ich mich an manche Details. Die Vermittlung lief über die Anstaltsärztin der JVA Lüttringhausen, Dr. Sause, CDU. Es handelte sich um ein typisches Containergefängnis mit sehr viel Stacheldraht. Die bis zu 200 Insassen stammten in der Mehrzahl aus Rumänien und Polen, alles Männer. Da waren erkennbar einige Desperados dabei, Getriebene, Glückssucher – nach meinem subjektiven Eindruck sicher auch etliche Kriminelle. Wir hatten als Ärzte die Aufgabe, einen akzeptablen Gesundheitszustand der Häftlinge zu dokumentieren, waren somit Feigenblatt des Rechtsstaates. Neu war für mich dort und befremdlich, dass neben Vollzugsbeamten vor allem Wachleute der Firma Kötter Security tätig waren. Ich war froh, als mein Job dort beendet war. Hier der Link zu einem älteren Artikel in der WZ.