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Abtei Tholey: Richter-Fenster

Altern wir zwangsläufig?

Das Thema Altern greife ich nach dem Post über Statine in der Primärprävention nochmals auf, und das bestimmt nicht zum letzten Mal. Wie fragte meine Schwester neulich: „Kann man gesund sterben?“ Oder altern wir zwangsläufig?

Zunächst war ich mit der Beantwortung der Frage etwas überfordert. Denn wenn man manchen Medien glauben darf, ich meine damit z. B. das Gesundheitsmagazin „Visite“ des NDR und diverse Click-baiting-Meldungen beim Doomscrolling, dann gewinnt man leicht den Eindruck, alles sei hier möglich. Der richtige Lebensstil, gute Aktivitäten, Nichtrauchen, besonders die Diäten und vor allem der Sport seien zusammen fast die Garantie für ein sehr langes Leben. Möglicherweise schwingt hier sogar der Gedanke an die Unsterblichkeit mit.

Was sagt denn eigentlich die Alterforschung? Ich starte eine wissenschaftliche Suche in Medline. Zu „aging“ gibt es 660.000 Treffer, 45.000 im letzten Jahr. Zwei recht aktuelle große Übersichtsarbeiten (Hallmarks of Aging…, Molecular mechanisms of aging…) fallen mir auf, die auf sehr viele Aspekte des Alterns und seiner Prävention eingehen. Und das vorwiegend auf zellulärer Ebene, aber auch allgemein bei Tieren und sogar beim Menschen, und mit vereinzelten praktischen Hinweisen. Aber jeweils bis zu 36 engbedruckte Seiten und je 300 Literaturzitate sind für eine schnelle Bewertung einfach viel zu viel. Nicht mal hilfreiche Kommentare zu den Artikeln finde ich in der Fachliteratur, oder gar ein prägnantes Statement eines Editors.

Ich gebe zu, dass ich mir danach erstmal 45 Minuten „Langes Leben: Das weiß die Forschung übers Altern.“ von Quarks angeschaut habe. Die quirlige MAITHINK X redet da ganz schön viel. Ein großer Teil der Sendung wurde an der sportmedizinischen Fakultät der Uni Köln gedreht.

Fünf ältere Herren sind noch erstaunlich fit, und alle schlank und aktiv. Eine ältere Dame bemerkt, dass Sport ihre Vergesslichkeit bessert, wie viele andere Probanden in der entsprechenden Studie. Dann werden Tierversuche mit Fliegen gezeigt. Etwas weniger Eiweiß lässt sie länger leben. Natürlich muss auch der berühmte Nacktmull herhalten, der seine Organe im Laufe seiner fast 30 Lebensjahre erneuern kann. Wo doch Maus und Ratte höchstens drei Jahre schaffen. Ach so, das Leben im sozialen Verbund mit anderen lässt Menschen länger leben. Den großen Durchbruch bei den Erkenntnissen konnte ich hier leider nicht entdecken.

Höhere soziale Schicht, Wohlstand, besseres Bildungsniveau, schlank sein, „gute“ Ernährung, Vorsorgeverhalten, Bewegung, genügend Schlaf, positive Lebenseinstellung und last not least die passenden Gene, das sind Merkmale, die man bei Langlebigen bekanntermaßen häufiger findet. Da aber das Meiste davon nicht unserem freien Willen unterliegt, sind diese Items insgesamt nicht besonders hilfreich, wenn es darum geht, die eigene Lebenserwartung positiv zu beeinflussen. Da ist es wieder, das Störche-Geburtenrate-Problem, oder anders ausgedrückt das Koinzidenz-Kausalitäts-Dilemma. Kurz zusammengefasst: Wer alt wird, stirbt später. Logisch. So einfach kann alles sein.

Jetzt aber mal ernsthaft: Kann man das Altern nicht doch irgendwie aufhalten? Gibt es Medikamente, die man vorbeugend einsetzen könnte? Gibt es denn keine neuen Aspekte in der Altersforschung? Oder gar Wundergene, die geeignete Kandidaten der Forschung sind? Wenn Altern auch auf zellulärer Ebene stattfindet, dann altern wir ja zwangsläufig. Es wäre ja auch kaum vorstellbar, dass mit 120 Jahren schlagartig die Batterie leer ist, um dann gesund zu sterben. Älterwerden ist also nicht nur ein numerisches Problem. Unklar ist mir auch, was das Altern evolutionär bedeuten könnte. Gibt es eine vielleicht eine biologisch begründete Lebensspanne?

Es ist November, Allerheiligen und Allerseelen waren gerade, bald kommen Volkstrauertag oder Buß-und-Bettag und Totensonntag, dazu herrscht dunkles Wetter, es gibt kaum Solarertrag. Vorboten des Winters wie Glatteis kommen in der nächsten Woche. In der Summe ist das also ein „idealer“ Zeitpunkt, sich mit dem Altern oder Älterwerden zu beschäftigen. Ich habe heute ganz praktisch Haltegriffe in der Dusche eingebaut und die Spikes für meine Winterschuhe herausgesucht.

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