Milonga meint social dancing im Tango argentino. Jeweils 3 oder 4 Stücke, also Tandas, im Stil Tango, Vals oder Milonga, manchmal auch Neotango oder gar Nontango sind dann durch Cortinas, also 1-minütige Musikstücke getrennt. Eine Tanda wird durchgehend mit einer Partnerin/einem Partner getanzt. Wenn feste Paare dorthin gehen, kann es auch sein, dass sie nur miteinander tanzen. Manche Dauertanzpaare tanzen dann gerne ihre technisch komplizierten Folgen. Da wir aber alle nicht mehr 19 sind, wirkt das oft nicht sehr elegant. Manchmal eher wie Akrobatik. Soll das so sein? Doch besser Musikalität vor Akrobatik bei der Milonga?
Spannend ist zusätzlich die Frage, wer bei den Paaren jeweils führt. Es ist ja mitnichten so, dass immer der Mann der Leader ist. Beim Wechsel der PartnerInnen kann das zu Konflikten führen. Sehr komplizierte Figuren sind für eine Milonga meiner Meinung nach nicht geeignet. Die gehören in die Show eines Profipaares, aber nicht zum Tanzen mit einem fremden Partner. Vorgestern waren wir wieder bei der Milonga im Nachbarschaftsheim.
Üblicherweise wechseln wir in unserer Gruppe, da ist der Erfahrungsstand ähnlich. Das funktioniert dann ganz gut. Der DJ spielt normalerweise nur traditionelle Musik, sodass keine Schwierigkeiten zu erwarten sind.
Vorgestern gab es wieder mal eine Tanda loca, also „Damenwahl“. Ausgerechnet dazu spielte der DJ erstmals Nontango und Neotango. Mit einer hoch motivierten Dame galt es zunächst, zu einem vergleichsweise schnellen Foxtrott zu tanzen. Leider liefen alle meine Versuche ins Leere, sie zu der schönen Musik zu führen. Diese entspräche noch am ehesten der Milonga als Tangostil. Eine weitere Dame tanzte, losgelöst von meiner Führung, ihre komplexen Figuren, beispielsweise den doppelten Gancho, dazu lief ein dramatischer Neotango mit stark betontem Rhythmus. Mit weiteren Damen lief es viel besser. Gut, mir fehlt da natürlich die große Erfahrung.
Dennoch meine ich, dass es bei der Milonga gilt, im Paar das Potenzial wechselseitig allmählich zu erkennen, und sich von einfachen Schritten zu komplizierteren vorzutasten. Und nicht diffizile Figuren ohne Zusammenhang und außer Rhythmus zu tanzen. Ich höre einfach auch gerne auf die Musik, die im Tango unterschiedlich ausgeprägt rhythmische und melodische Anteile haben kann. Die gemeinsamen Schritte passen sich dann der Musik an. Für mich ist so ein Tango dann eine harmonische Tanzimprovisation zur Musik, keine akrobatische Aktion.
Wir nehmen ja viele Jahre Unterricht bei Christian. Das besondere ist bei ihm, dass er Wert auf dieses musikalische Tanzen legt. Es gilt bei ihm beispielsweise, die Phrasierungen zu beachten. Wenn die Tanzschritte zur Musik passen, dann bietet das Musikstück die Vorlage zur Tanzperformance. Da wären wir fast beim Ausdruckstanz, oder der Tanzimprovisation mit Elementen des Tangos.
Tango ist für mich, zumindest beim social dancing, nicht, wenn möglichst repetitive Ganchos, spektakuläre Boleos, vielfache Colgadas, die Rückwärts-Sacada, weite Volcadas oder mehrfache Giros rechts- und linksherum getanzt werden. Diese Sachen wirken in Shows, natürlich. Die meist jungen Paare beherrschen das dann aber auch. Sollen sie doch mal machen.
Für mich gilt es, mit Musikalität achtsam und ohne Betonung der Akrobatik bei der Milonga zu tanzen. Wenn jeder Tanz eine Geschichte erzählt, die harmonisch im Paar entsteht, dann ist er gelungen. Finde ich.