Fahrt mit Regionalbahnen von Wuppertal nach Aachen
Neulich waren wir zum Familienbesuch in Aachen. Da wir ja Deutschlandtickets haben, war die Devise, mit dem ÖPNV zu fahren. So mache ich Fortschritte darin, dabei die nötige Resilienz zu entwickeln. Denn die ist für so eine Reise dringend nötig. Der eigentlich angedachte durchgehende und sehr bequeme Regionalexpress fällt nämlich wieder aus. Schnell den Bus eine Stunde früher als geplant besteigen, und schon geht die Reise los. Wir wollen ja pünktlich bei der jungen Familie sein. Mal sehen, was uns diesmal bei der Reise so erwartet, soziale Kontraste in Deutschland und so.
Wer fährt um 10 Uhr morgens so mit dem Bus in die Wuppertaler Innenstadt? Nun vor allem Leute wie wir, also Ältere, dabei zumeist Frauen, sozial Schwache, Kranke, Behinderte mit Rollstuhl, Mütter mit kleinen Kindern und Leute, die hörbar nicht Deutsch als Muttersprache haben. Mehrere Flaschensammler sind auch schon unterwegs, ebenso ein paar Bettler. So eine Bahnhofsregion ist natürlich sozialer Brennpunkt, wie alle Bahnhöfe. Die Security ist hier allgegenwärtig.
Die Züge in Wuppertal und Köln fahren sowohl bei der Hinreise als auch der Rückreise allen Unkenrufen zum Trotz nahezu pünktlich ab. Oder die Verspätungen fügen sich passend ineinander. Fahrgäste sind hier eher jüngere Leute, Studenten, Asiaten, mal ein gut gekleideter Geschäftsmann, Familien, nicht muttersprachlich deutsch, eine Horde arabischsprachiger Girls um die 15 Jahre alt, geschminkt, sehr laut. Sie unterhalten mit ihrem Singen den ganzen Wagen, sprechen viel und ohne Übergänge in verschiedenen Sprachen, darunter auch sehr gut Deutsch. Uns gegenüber sitzt ein sehr leises junges Paar, vielleicht aus Afghanistan. Eine weitere Frau telefoniert ewig lange auf Türkisch. Direkt erkennbar Deutsche fallen uns zuletzt in der abendlichen RB48 gegen 20:30 zwischen Köln und Wuppertal nicht sehr viele auf.
Wie man es auch nimmt, so sind in den Öffis oft die Menschen unterwegs, die sich nicht auf der Überholspur des Lebens befinden. Ein Querschnitt der ärmeren Bevölkerung, der Abgehängten, der chronisch Kranken, der Migranten, der Ausländer. Natürlich gibt es auch Pendler, Ausflügler und Studenten. Für mich ist das Reisen mit den Öffis somit immer noch sehr gewöhnungsbedürftig, denn ich nenne seit dem 19. Lebensjahr durchgehend einen PKW mein Eigen, wenn ich die Kisten auch zunächst selbst repariert habe. Eine andere Seite der Gesellschaft erlebt man hier, die meinem Gesellschaftsstatus weniger entspricht. Der Status des respektierten älteren Facharztes nämlich.
Besuch des Intako-Balls im Maritim Düsseldorf
Am letzten Samstag war der berühmte Ball von Intako Open, also des berühmten Tanzlehrerkongresses in Düsseldorf. Der Veranstaltungsort war wie immer vorzüglich, nämlich das Hotel Maritim in der Airport City. Da uns die Anreise mit den Öffis von Remscheid aus komplex und lange ist, schien uns der PKW die bessere Option. Das Parkhaus P8, ein sehr großes, dreistöckiges, unterirdisches Parkhaus, liegt direkt vor dem Hotel. Die Stunde kostet hier 5,50 Euro. Du meine Güte, fast nur riesige SUVs stehen hier bei gedimmtem Licht nur so herum, es muss den Deutschen wirklich wirtschaftlich gut gehen. Das Maritim ist schon ziemlich schick und repräsentativ. Mehrere Restaurants gibt es, die Limo für 4,50 Euro, na ja. Gehobene Adresse halt.
Der große Saal ist wirklich beeindruckend. Riesige moderne Kronleuchter. Eine große Parkettfläche, extra gelegt, auf der die Gäste zu zehnt an edel eingedeckten runden Tischen platziert sind. Für die eigentliche Tanzfläche bleiben bestimmt noch 400 Quadratmeter übrig. Es spielt eine Live-Band mit mehreren Sängern, und dazu gibt es eine Light-Show. Der Veranstalter und Conferencier kommt gerade vorbei, freundliche Begrüßung, seine Frau ist auch da. Etliche der Gäste in unserer Nähe kennen wir persönlich, auch von anderen Tanzveranstaltungen. Man begrüßt sich und wechselt ein paar freundliche Worte. Das Abendessen in Form eines Buffets ist reichlich und gut.
Die Gäste sind allesamt fein gekleidet, die Frauen schon mal mit langen Abendkleidern, nette Frisuren, die Männer in schwarzem Anzug, weißem Hemd und schwarzer Fliege als Einheitsdress. Das trifft auch für die vielen jungen Leute zu. Man tanzt viel auf der trotz ihrer Abmessungen immer noch zu kleinen Tanzfläche, was natürlich nicht ohne Kollisionen abgeht. Immerhin wird hier meist die Tanzrichtung gegen den Uhrzeigersinn beachtet. Einige Male können wir mit unseren Lateintänzen dann schön performen. Die Band spielt so laut, dass Unterhalten kaum möglich ist. Leider.
Dann die Tanzshows als Highlights des Abends, das heißt etwa viermal zu verschiedenen Zeiten. Die beiden Profi-Tanzpaare kennen wir vom TSZ Wetter bzw. von Let’s Dance von RTL, also Paul und Maria sowie Zsolt und Malika. Paul tanzt mir etwas zu martialisch, die zierliche Maria fliegt somit schon mal 1,5 Meter hoch durch Luft. Zsolt und Malika gefallen mir da schon eher, weil sie viel besser Freude beim Tanzen und Harmonie ausstrahlen. Die Shows bieten insgesamt schon einen großen Kontrast zum Publikumstanz. Darüber senkt sich dann gnädigerweise jeweils reichlich Theaternebel.
Um Viertel nach Zwölf sind wir müde. Schnell noch die Schuhe gewechselt. Auf Wiedersehen und Gute Nacht sagen wir. Der gläserne Eingang zum Parkhaus ist dann nur ein paar Schritte weit weg. 33 Euro will der Automat für das Parkticket haben. Unser Auto finden wir gleich wieder. Der Nachhauseweg dauert dann nur noch 40 Minuten. Der Abend hat bei uns ein gutes Gefühl hinterlassen, eine gewisse Euphorie. Es geht uns wirklich gut. Das halten wir für uns fest.
Ausblick
Die beiden Situationen habe ich bewusst so nebeneinander gestellt, denn es geht mir ja um die Darstellung sozialer Kontraste in Deutschland, die sich in den letzten Jahrzehnten noch weiter erhöht haben. Der Text soll einen Beitrag vorbereiten, der sich auf die aktuelle Autoritarismus-Studie von 2024 bezieht. Sie trägt den Titel „Vereint im Ressentiment.“ Das ist eine große soziologische Studie, die den erneuten Aufstieg von überholt geglaubtem Gedankengut, hier insbesondere den Rechtsextremismus, analysiert.