Fehlt nur noch virtuelles Schmecken und Riechen!
Was tun in Zeiten von Corona? Wenn wichtige Ereignisse anstehen, was dann? Sollen sie dem Lockdown zum Opfer fallen? Nein, natürlich nicht! Wozu haben wir Zoom und ähnliches?
Ben und seine fiancée Nadia hatten geladen, Chris die Einladung für ein Zoom-Meeting verschickt. Wir waren schon ganz aufgeregt! Der Menüplan musste abgesprochen werden, die Einkäufe erfolgen. Und dann Kochen nach der Uhr. Denn am 27.2.21 um 19 Uhr war der Beginn angesetzt.
Werden wir das hinkriegen?
Was ist mit der Konversation?
Ist unser Englisch locker genug?
Werden uns die richtigen Vokabeln einfallen?
Wird unsere Freundlichkeit stimmen?
Wie wird die Verständlichkeit über Zoom sein?
Klappt das mit dem gemeinsamen Essen überhaupt?
Schlag 7 Uhr ist bei uns alles fix und fertig. Eine Kerze ist bereits angezündet und auf dem Piano eine rote Rose platziert. Als Aperitif steht ein Grappa bereit. Ein trockener 2019er Riesling Spätlese von der Bopparder Hamm ist als Wein ausgewählt. Der Salat ist mit Crème fraîche angerichtet, die Kartoffeln sind punktgenau gegart, das Filet mignon exakt gebraten! Als Dessert wartet Panna cotta mit Vanillegeschmack. Alles sehr lecker!
Ah, der Moderator lässt uns eintreten. Hallo Chris, hallo nach Remscheid! Chris diesmal ohne Cat on Head von Snapchat, Haha. Dann gibt es mehr Smalltalk nach Köln. Und endlich die Meldung aus Memphis. Dort herrscht noch wildes Agieren in der Küche angesagt, es dauert noch etwa 10 Minuten. Macht nichts, hallo nach dort und zurück. Nun kommt noch das bei virtuellen Meetings obligate Optimieren der Sound-Quality. Das gute Apple-Notebook in Memphis regelt dauernd die Mikrofon-Lautstärke runter, das ist etwas doof.
Aber dann geht’s endlich los! Prösterchen, Cheers, ¡Salud! Freundliches Lächeln! Das leckere vegetarische Essen in Memphis wird uns stolz präsentiert. Dann aber mal los. Im Laufe des Essens gelingt ein gutes Gespräch meist auf Englisch. Was machen die Eltern, der Bruder, wie sieht es in Santiago de Chile aus? Was macht die Masterarbeit? Die Freunde in Braunschweig… Wir erzählen vom Leben der Rentner im Lockdown, von der Familie, vom Tango…
Schließlich geht das gemeinsame Essen nach gut zwei Stunden zu Ende. Es hat lecker geschmeckt, die Konversation gelang ganz gut. Und die Planungen gehen bereits weiter. Bald gibt es ein virtuelles Meeting mit zusammen den parents-in-law. Chris wird trotz Corona zum wichtigen Termin nach Chile fliegen, mit Test, Quarantäne und nochmal Test. Danach gibt es noch Überlegungen zum Visum.
Ich gehe davon aus, dass das alles gutgeht. So ist das Leben der jungen Leute nun mal. Das unterscheidet sie von uns. Wir sind total auf Sicherheit bedacht, sie stehen mit Kribbeln im Bauch mitten im Leben. Ist doch OK so. Wir werden das Event in Chile wohl als Video verfolgen können. Ob mein Gequengel „Bitte einen Livestream!“ Erfolg hat, werden wir sehen.
Nun ist das virtuelle family dinner vorbei. Dankeschön, alles Gute, liebe Grüße, Goodye, Adios, bis bald!
Ach so, nach einer Stunde, also ab 22 Uhr wählen wir uns bei der virtuellen Zoom-Milonga in Bochum ein. Dort bleiben wir noch bis um Mitternacht. Walter spielt in der letzten Tanda Di Sarli, mit dem wir uns gerade intensiv beschäftigt haben. Sehr schön romatische, ausgewogene und nuancenreiche Tangos des Großmeisters hat er ausgesucht! Der Unterschied zu den eleganten, glatten Slowfox-Titeln bei den vorherigen Non-Tangos könnte kaum größer sein.