Heute über das Thema Gewaltfreiheit nachdenken…
Der dritte Montag im Januar ist in den USA der Gedenktag an den berühmten Helden der Gewaltlosigkeit. Der 15.1.1929 ist ja sein Geburtstag. Am 4.4.1968 wurde er vor einer Demonstration in Memphis/Tennessee von einem weißen Rassisten erschossen. Heute ist der 15. Januar, also der geeignete Tag des Andenkens.
Vor einigen Tagen ist ja Bischof Desmond Tutu verstorben, einer der letzten noch lebenden Größen der Gewaltfreiheit überhaupt, ein Freund von Nelson Mandela. Da stellt sich die Frage, welche berühmten Persönlichkeiten als Fürsprecher der Gewaltfreiheit es heute noch gibt. Die Tagesschau titelt am 25.5.2021 zudem „Habeck für Waffenlieferungen an die Ukraine“ Der nimmt damit öffentlich Positionen ein, die der Idee des „Gerechten Krieges“ entsprechen. Was ist bloß aus der Antikriegspartei geworden!
Ich habe recht umfangreich nach aktuellen Dokumenten zur Gewaltfreiheit gesucht. Dabei war ich nicht sehr erfolgreich. Klar, es gibt etliche Verbände mit dieser Zielsetzung. Aber die Websites machen oft einen schwachen Eindruck. Als ob das Thema niemand mehr interessieren würde! Das letzte mir zugängliche bemerkenswerte Dokument dazu ist – wie kann es anders sein – ein Vortrag von Margot Käßmann zum hundertsten Todestag von Bertha von Suttner 2014. Ich finde den beeindruckend, weil sie sich sehr klar positioniert hat. Super!
Dafür musste sie ordentlich Kritik aus der Amtskirche und den Medien (Die Welt, Tagesspiegel, Der Spiegel) und sogar persönliche, ja sogar sexistische Diffamierungen („unchristlich“, „naiv“, „Verona Feldbusch der Kirche“, „Ganzkörperpazifismus“) ertragen. Da sie so etwas ja gewohnt ist, hat sie auch das weggesteckt. Dieses Heft von „Evangelische Aspekte“ enthält weitere sehr lesenswerte Artikel zum Thema Gewaltfreiheit, auch über die Person Käßmann hinaus.
Erstaunlich finde ich auch das hier erwähnte Diskussionspapier Friedensethik der Evangelischen Landeskirche Baden von 2013, das tatsächlich einen strukturierten Mitwirkungsprozess in den dortigen Gemeinden und Verbänden durchlaufen hat. Respekt davor! Damit ist es nicht nur ein reines Diskussionspapier, sondern stellt das Denken zu diesem Zeitpunkt sehr fundiert und umfassend dar. Es geht auf die unterschiedlichen Argumente detailliert ein.
Der sogenannte Gerechte Krieg (wie bei Habeck) hat hiernach keine Berechtigung mehr. In der christlichen Argumentation führt heute definitiv die These vom Gerechten Frieden, also die Gewaltlosigkeit.
Der Abschnitt „Ausgangslage“ geht gut auf die Weltkonflikte zu diesem Zeitpunkt ein. Er konstatiert, dass militärische Interventionen niemals langfristig die Menschenrechtslage verbessert haben, höchstens die Machtverhältnisse hätten sich durch sie verändert. Waffenexporte hätten eine enorme Höhe erreicht, und Deutschland befindet sich auf Platz drei des internationalen Waffenhandels.
In Deutschland sei die Bundeswehr in der Zeit des Kalten Krieges als Verteidigungsarmee gegründet worden. Heute firmiere sie mit der Zielsetzung „…Zugang zu freiem Welthandel…“ und „der Verhinderung von Krisen und Konflikten, der Verteidigung deutscher Interessen“. Das stelle einen weitgehenden Paradigmenwechsel dar!
Wie es wohl aktuell in der Evangelischen Kirche im Hinblick auf das Thema Gewaltfreiheit aussieht? Gibt es eventuell nur noch Coronavirus? Aus der Katholischen Kirche hört man leider fast nur noch etwas von Missbrauchsskandalen, selbst bis in die Nähe von Ratzinger. Das ist schon schlimm!