Musik hören ist einfach schön. Wenn dann auch noch die Atmosphäre stimmt… Man besucht eine berühmte Kirche, plötzlich beginnt die Orgel zu spielen, man spürt die Musik am eigenen Körper, ein Chor singt, und die Geschichte lebt auf einmal. Die Kirchenmusik bringt uns zum Beispiel 500 Jahre zurück. Schon immer gab es Musikimprovisation.
Johann Sebastian Bach, Toccata und Fuge in d-Moll, performed by Ashtar Moïra / Public domain at Wikimedia Commons
Wenn auch die Texte und die Wortwahl nicht unserer mehr entsprechen, die Harmoniefolgen leben aber fort, sie berühren uns. Melodie, zweite Stimme, Tenor, Bass, heute kommt die Rhythmusgruppe dazu, die computerbasierte Soundschleppe, die virtuelle Akustik, die Klangveränderung. Aber authentisch ist ein live gespieltes Konzert, in dem der/die Künstler zu hören sind, eventuell mit kleinen Unreinheiten. Die machen aber erst den eigentlichen Klangeindruck aus. Fret noise zum Beispiel, oder leider doch ein orgelähnlicher künstlicher Gitarrensound?
Schon in meiner Kindheit waren wir es gewohnt, selbst Musik zu gestalten. Meine Mutter stammte aus einer pietistischen Familie mit einem Harmonium im Wohnzimmer. Sie selbst war eine begeisterte Sängerin. Zusammen mit ihrer Schwester hat sie vermutlich sämtliche damaligen Liederbücher auswendig gekannt und gesungen. Es waren bestimmt neben christlichen und heimatlichen auch völkische Lieder dabei. Beim Melken der Kühe singen! Das hat den Milchfluss bestimmt stimuliert!
Mein Vater hatte einen etwas anderen Zugang zur Musik. Klar, er stammte auch aus einer pietistischen Familie, das unvermeidliche, leicht schwachbrüstige Harmonium war auch da. Zugang zur Musik hatte er mehr über den technischen Weg, er war ja Feinmechaniker und Ingenieur. Und dem ist bekanntlich nichts zu schwör. D. h. als notorischer Autodidakt hat er sich Orgel- und Klavierspielen selbst angeeignet, spielte die Trompete und war Dirigent im Posaunen- und Kirchenchor.
Und für meine Geschwister und mich war der Weg dadurch vorgezeichnet. Ich hatte immerhin 5 Jahre Klavierunterricht bei einer älteren ungarischen Lehrerin. Die Damm’sche Klavierschule hätte ich verfluchen können. Die war damals schon von der Auswahl der Musikstücke gefühlt 100 Jahre alt. Nichts für einen Jungen von 10 Jahren, der nicht unbedingt ein junger Mozart ist. Aber egal, es hat mir das Interesse dafür gebracht. Wenn ich auch nicht für „Guter Mond, du gehst so stille…“ schwärme – prägend war es damals schon!
Nachdem ich etwa bis zu meinem 45. Lebensjahr immer nur Noten abgespielt habe, kam mir in den Sinn, dass das eigentlich kein besonders kreativer Weg sein kann. Da muss man schon als Kind Üben, Üben, Üben, um überhaupt die nötige Fingerfertigkeit und Geschwindigkeit zu erreichen. Also die Beatles haben bestimmt nicht nach Noten gespielt, und Jazz-Musiker auch nicht. Es ging mir seit dem mehr darum, die variable Rhythmik (meist eight bar) und die Musikimprovisation (nach Gehör) zu erlernen. Und nach vielen Jahren wird das nun endlich besser.
Wäre es nicht sinnvoller gewesen, von Anfang an der Musikausbildung mehr auf das Gehör zu achten? Und Noten eher sekundär zu sehen, zur Weitergabe, als Beispiele, aber nicht so sehr als starre Vorgabe bei der eigentlichen Performance. Bei den Sinti lernen die Kinder das schon mit drei Jahren. Noten, was ist das denn…