Seit fast einem Jahr poste ich immer wieder Bilder zum Thema #ThickTrunkTuesday. Gemeint sind Bilder imposanter, kräftiger Bäume, wobei sich die Darstellung auf Wurzel und Stamm konzentriert. Das Highlight meiner Baumbilder zeigt eine Buche im Herzbachtal an der Wupper mit gleichförmig bemooster Wurzel. Dieses Bild wurde 8-mal geteilt und 40-mal favorisiert, was für die Verhältnisse bei Mastodon viel ist. Immerhin ist das „nur“ ein Naturbild, nichts ist gestellt oder geschönt. Was ist die Faszination an einem Baum?
Dienen Bäume als Symbol für etwas anderes? Keine Angst, ich drifte nicht ab zur Esoterik, zur Mystik oder gar einer Pseudoreligion. Selbst Erich Fromm hat die Biophilie beschrieben. Verwerflich ist sie bestimmt nicht, die Liebe zum Leben.
Seit der Jugend
Seit meiner Jugend interessiere ich mich für Wald und Bäume. Schon im zarten Alter von 10 Jahren habe ich alleine Radtouren durch den Wald unternommen. Das war in Atzbach in Mittelhessen, die kurzen Touren führen mich in Richtung Himberg, oder besser zum Königstuhl. Der Wald strahlte für mich irgendwie Ruhe aus, als ob er schon immer da stünde. Das war damals wichtig für mich. Der Wind rauscht durch die Blätter oder Äste der Bäume. Und das zu den verschiedenen Jahreszeiten. Dabei handelt es sich in meiner Heimat meist um bewirtschaftete Wälder. Die ältesten Bäume erreichen hier vielleicht 150 Jahre, naturbelassenen „Urwald“ gibt es hier nicht. Die bekannte „Dicke Eiche“ von Waldgirmes steht schon seit 2002 nicht mehr. Dorthin pilgerte ich in meiner Kindheit immer am Himmelfahrtstag.
Wie ein Baum
Was drückt ein Baum alles aus? Zunächst einmal Stärke und Größe, dann Stabilität und Beständigkeit. Die grünen Blätter können wie ein Dach wirken, einen Raum erzeugen, der Schutz zu bieten scheint. Ich empfinde manchmal den Wald als eine Art Kathedrale der Natur. Das Alter eines Baumes kann 200, 500 oder gar 1000 und mehr Jahre erreichen. Das ist viel mehr als ein Menschenalter. Ein Baum dient somit häufig als Symbol der Zeitlosigkeit, ja beinahe der Ewigkeit. Was biologisch betrachtet eigentlich nicht stimmt. Denn Bäume können natürlich altern oder Krankheiten haben, ja sogar absterben.
Die Wurzeln der Bäume dienen der Aufnahme von Wasser, Mineralien, Nährstoffen, aber auch der Kommunikation mit Nachbarbäumen. Im Zusammenspiel mit bestimmten Pilzen kann sich eine Art Symbiose ergeben. Bei Laubbäumen kann der geneigte Betrachter eine weitgefasste Analogie zum Leben an sich wahrnehmen, das Auskeimen, das Wachsen, die Verteidigung des Standorts, den Rückbau im Herbst und das scheinbare Sterben zum Winter hin. Jetzt wird es aber beinahe religiös.
Blüten und Früchte von Bäumen können nicht nur Insekten und Vögeln Nahrung bieten. Das Holz der Bäume ist selbst heute ein beliebtes und noch dazu nachhaltiges Baumaterial. Die Steine meines Hauses bestehen aus einem Holzwolle-Zement. Ich habe damals Fenster mit Holzrahmen einbauen lassen. Aus Tropenholz leider, das war nicht politisch korrekt. Aber damals wussten wir es nicht besser. Sie haben allerdings bereits 30 Jahre Lebensdauer erreicht. Dazu waren bisher nur kleinere Holzreparaturen nötig.
In Deutschland besteht ein allgemeines Zugangsrecht zum Wald. Das heißt, jeder kann dorthin gehen, aber der Wald gehört einem meist nicht selbst. Ein Treffpunkt in der Natur, das ist der Wald. Man grüßt dort sogar wildfremde Menschen, geht sich aber dennoch aus dem Weg. Wir Menschen wohnen in Häusern, der Wald aber ist das Haus der Natur, ja steht für die Natur selbst.
Waldsterben trifft uns deswegen irgendwie selbst, richtig emotional, obwohl es Ausdruck der Erderwärmung und einer verfehlten Waldbewirtschaftung ist. Schön sieht er wirklich nicht aus, so ein abgestorbener Geisterwald. Mit Romantik und wohligem Gefühl ist es dann vorbei.
Meine Bäume
Im eigenen Garten gab es zu bestimmten Zeiten bis zu zwölf Bäume. Ein Kritiker könnte sagen: Das waren viel zu viele. Und das bei 567 Quadratmetern Fläche. Das stimmt natürlich. Aber die Zahl verdeutlicht, welche Faszination so ein Baum auf mich ausübt. Hier eine Liste von Bäumen auf meinem kleinen Grundstück, fünf sind übrig geblieben:
- Große mehrstämmige Esche (Bestandsbaum, entfernt, zu groß)
- Pfennigbuche (Sturmschaden, entfernt)
- Fächerahorn (Riesen-Bonsai, Schnitt nötig)
- Blumenhartriegel (Dogwood, Sturm überlebt)
- Zwei Apfelbäume (Fäule, entfernt)
- Tulpenbaum (Waldbaum, sehr wachstumsfreudig)
- Kiefer (zu groß, entfernt)
- Goldrobinie (Kernfäule, entfernt)
- Säulenhainbuche (Kernfäule, entfernt)
- Gleditschie (Kernfäule, abgebrochen)
- Strandkiefer (Rückschnitt jährlich nötig)
- Eberesche (Straßenbaum, Minderwuchs, Pilzbefall)
Was lernen wir daraus? Ein Baum, also insbesondere ein Zierbaum, hat ein eigenes Leben samt Krankheiten. Ich würde annehmen, dass meine Bäume mit Kernfäule, die ja Ausdruck einer Pilzinfektion beispielsweise durch stammnahe Verletzungen ist, diese bereits bei der Pflanzung in sich trugen. Vermutlich haben sie die Infektion vom Standort der Gärtnerei Röntgen mitgebracht. Die Alternative wäre, dass die Bäume das hier vor Ort wegen des feuchten Standorts erworben haben.
Dennoch kann ich feststellen, dass manche Bäume völlig widerstandsfähig gegen die Verhältnisse am eigenen Standort im Bergischen Land sind. Das gilt speziell für den Tulpenbaum, einen amerikanischen Waldbaum, der trotz geringem Befall mit Borkenkäfern toll aussieht und mehrfachen starken Rückschnitt gut vertragen hat. Der japanische Fächerahorn ist inzwischen riesengroß, er scheint seinen warmen Standort an Haus und Terrasse zu lieben.
Der Blumenhartriegel hat sogar einen sturmbedingten Wurzelschaden überlebt. Inzwischen wächst er deutlich besser, hat sogar Austriebe am Stamm. Die weißen Hochblätter und die roten Früchte dieses Baumes sind jedes Mal ein Hingucker. Neben der Eingangstreppe gibt es eine buschartige Strandkiefer. Sie ist inzwischen nicht mehr niedrigwüchsig. Sie benötigen jährlichen Rückschnitt.
Die Eberesche auf der kleinen Verkehrsinsel ist standortbedingt mangelwüchsig, obwohl von mir zeitweilig gegossen und gedüngt. Der Befall mit einem Hefepilz besteht seit der Pflanzung. Er betrifft die Äste und Blätter, die sich schwarz verfärben. Aber trotzdem schön sind einfach die roten Beeren.
So sind von 12 typischen Bäumenarten in meinem Garten im Laufe der 30 Jahre nur noch fünf übriggeblieben. Diese scheinen Ort und Klima zu lieben. Die Natur entfaltet so ihr Eigenleben. Einen Baum zu erleben, bedeutet Faszination für mich.